New Economy: Sieben Lügen sind zu viel

Remo Uherek

Ayom Gründer
Es ist ein Skandal: Die so genannte New Economy wird der Lüge bezichtigt. Jeder würde entrüstet aufschreien, wären da nicht Dinge, von denen die Überflieger der Branche auf den Boden der Tatsachen zurück geholt werden. Warum nicht alles das Gelbe vom Ei ist, erfahren Sie in sieben Antworten.

Täglich wird das Internet um einige Web-Sites reicher, die auf Unternehmungen der so genannten New Economy zurückzuführen sind. Jungunternehmer aller Couleur glauben "die Idee" gefunden zu haben, die Marktlücken, Auftragsbücher und Kassen füllt. Wieder einmal waren es eigentlich ganz unscheinbar erscheinende Meldungen, die mich zum Nachdenken anregten. Sprechen doch tatsächlich Autoren im renommierten "Spiegel" von den "sieben Lügen der New Economy" und darüber, dass das Internet die Welt verändern würde. Nicht Neues also, wäre da nicht noch die Feststellung, dass diese Veränderung offenbar anders und nachhaltiger als das voraus gesagt wird, erfolgen wird.

Die Weissagungen der Gurus der frühen Internet-Jahre scheinen ad absurdum geführt zu werden. Wie ist das mit den Lügen, mit denen die smarten Manager von heute die heile Welt der New Economy vorgaukeln wollen?

Erstens: Richtig ist, dass es auch im Internet-Zeitalter nicht ohne tradierte Formen in der Arbeitsorganisation gehen kann. Der Chef als lockerer Typ wie "Du und ich" wird sich schon bald als cleverer Taktierer erweisen, wenn sich der gewünschte Geschäftserfolg nicht einstellt oder gar noch mehr Profit winkt.

Zweitens: Richtig ist, dass StartUps oft richtig neue, innovative Geschäftsideen in den Markt einbringen. Nur zu oft bleibt dann aber die finanzielle Luft weg und die Grossen in der Branche übernehmen gönnerhaft das, was übrig bleibt. Nämlich die gute Idee und manchmal auch die Mitarbeiter, die vielleicht sogar "outgesourct" werden.

Drittens: Richtig ist, dass der anfänglichen StartUp-Euphorie schon schnell der unternehmerische Kollaps folgt, weil die Strategien an den Börsen der Welt nur zu sehr die schnelle Mark anstrebten. Aber irgendwo endet auch die Geduld potenzieller Anleger. Die grosse Vernunft kehrt (hoffentlich) wieder ein.

Viertens: Richtig ist, dass auch im Internet der vom Leben bestraft wird, der zu spät kommt. Es reicht nicht nur der Glaube aus, erfolgreich zu sein und Millionär zu werden. Das "Unternehmen Internet" im allumfassendsten Sinne des Wortes muss eine "wohltemperierte" (frei nach Bach) Mischung aus genial-einfacher Idee, unternehmerischem Geistes und konzeptioneller Weitsicht sein, die auch auf viele Faktoren nicht verzichtet, die der "Old Economy" zugeschrieben werden.

Fünftens: Richtig ist, dass die Gesetze des Marktes auch und gerade (!) für die New Economy gelten. Die Zunahme an produktiverer Wirtschaft bedeutet dabei allerdings keineswegs ein endloses Wachstum ohne Schwankungen und Inflation. Das ist auch gut so, wenn die berühmten Bäume nicht in den Himmel wachsen sollen...

Sechstens: Richtig ist, dass die New Economy Grenzen überwindet und diese abbaut. Damit aber eine virtuelle Welt ohne Herz und menschlichen Verstand aufzubauen, sind Dotcoms Tod, wie ich schon an anderer Stelle anmerkte. Ein Markt ohne Natur aus "Fleisch und Blut" wird sehr schnell zu einem, virtuellen und unternehmerischen, Grab werden.

Siebtens: Richtig ist, dass auch und im Besonderen die New Economy von den Wünschen und Bedürfnissen der Verbraucher beherrscht wird. Daraus aber eine Ausschliesslichkeit zu deklarieren, ist an der Sache vorbei argumentiert. Kostensenkungen sind also keine Frage der Qualität mehr? Nein, danke! Wenn die Macht einer Hausfrau ausreicht, ganzen Branchen die prinzipielle wirtschaftliche Richtung vorzugeben, dann gute Nacht, du alte, neue Wirtschaft!

Was sagt uns das alles? Freilich ist richtig, dass (auch) dem Medium Internet die Zukunft gehört. Wirklicher Erfolg aber liegt dabei nicht in fixen Ideen, sondern in wohl überlegten Strategien, die beide Seiten - Unternehmen und Verbraucher - gleichermassen ausgewogen und dauerhaft berücksichtigen. Da schadet der Konkurrenz-Gedanke mehr als er für den Moment bringen, wenngleich dieselbe auch das Geschäft beleben mag. Letztlich bin ich bei all´ diesen Überlegungen nochmals auf eine internette Quelle gestossen. Dort wird die Frage aufgeworfen, ob "New Economy = New Education" ist? Eben, möchte man erwidern: So lange, wie der Internet-Spezialist nicht weiss, wann und warum eine Pflanze auf der Wiese blüht und wenn der Student der Sozialwissenschaften eifrig Verhaltensmuster studiert ohne die Einrichtung eines E-Mail-Accounts zu begreifen, so lange wird die New Economy der "sieben Lügen" bestraft. Und das zu Recht. Ausserdem naht der Frühling mit Macht und die liebestollen E-Mails erleben Konjunktur...

Autor: Michael H. Ragwitz

Urheber: Dr. Web Magazin (Stand vom 10.09.2003)
Lizenz: Open Content Lizenz
 
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