QUOTE Leitartikel Wirtschaft
Gesellschaft ohne Haftung
Von Joachim Jahn
01. Juni 2005 Die GmbH gerät unter Druck. Vom Aussterben ist diese im deutschen Mittelstand beliebte Rechtsform zwar nicht bedroht. Wer nicht mit seinem Privatvermögen für sein Unternehmen einstehen will, gründet noch immer weit häufiger eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung als etwa eine Aktiengesellschaft, die meist im Zentrum der rechtspolitischen Diskussionen steht. Doch selbst den amtierenden Bundeskanzler hat jüngst die wachsende Konkurrenz aus dem Ausland aufgeschreckt: Fast jede vierte Kapitalgesellschaft, die in Deutschland gegründet wird, ist mittlerweile eine britische Private Limited Company (Ltd.).
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Möglich gemacht hat dies die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der den Wettbewerb der Rechtsformen eröffnete. Der Bundesgerichtshof hat daraufhin kürzlich der Ltd. auf deutschem Boden ein volles Lebensrecht zugesprochen, auch wenn sie von Bundesbürgern gegründet und betrieben wird. Ihre Vorteile sind weniger Bürokratie und ein geringerer finanzieller Einsatz - nämlich nur ein einziges britisches Pfund - bei der Gründung. Daß das ausgewogene Haftungssystem auf den Britischen Inseln dafür andere Lasten mit sich bringt, und zwar sowohl bei der laufenden Buchführung wie bei der Haftung im Ernstfall, verschweigen allerdings jene Geschäftemacher, die in Deutschland derzeit offensiv die Ltd. vermarkten. Auch die Schwierigkeiten im praktischen Umgang mit einer deutschen Anwälten kaum vertrauten Rechtslage unterschlagen sie geflissentlich.
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Text: F.A.Z., 02.06.2005, Nr. 125 / Seite 11