Die Zukunft des Internet

Jürgen Auer

Legendäres Mitglied
In der FAZ gibt es einen spannenden Artikel zum Internet:

Die Zukunft des Internet
Wie wir mit unserem Leben in Verbindung bleiben

http://www.faz.net/s/RubCEB3712D41B64C3094...n~Scontent.html



David Gelernter, der Verfasser, ist Professor für Computer Science an der Yale University in den USA.


Im Tagesspiegel (darüber war ich auf den Artikel aufmerksam geworden) ist ein Ausschnitt zitiert:

Das Internet verstärkt unsere Vorurteile

Zitat daraus (findet sich im Originalartikel im letzten Absatz):

QUOTE Das Internet, wie es heute ist, ist im Grunde genommen eine Maschine zur Verstärkung unserer Vorurteile. Je größer das Angebot an Informationen ist, desto pingeliger entscheiden wir uns mitunter für genau das, was uns zusagt, und ignorieren alles andere. Das Netz gewährt uns die Befriedigung, nur Meinungen zur Kenntnis zu nehmen, mit denen wir bereits konform gehen, nur Fakten (oder angebliche Fakten), die wir schon kennen.

...

Eines der schwierigsten und faszinierendsten Probleme unseres digitalen Jahrhunderts ist die Frage, wie wir dem Netz einen gewisse „Drift“ geben, so dass unser Blick manchmal in Gegenden abschweift, in die wir gar nicht wollten.



Meinungen - Argumente - Gegenpositionen?
 
Komisch, grade im Internet habe ich mitunter die differenziertesten Diskussionen geführt, da man hier deutlich häufiger mit anders-Meinenden zusammen trifft als im Freundeskreis, wo man sich doch meist mit Gleichgesinnten zusammen tut...


 
QUOTE (TSc @ Mo 1.03.2010, 12:58)Komisch, grade im Internet habe ich mitunter die differenziertesten Diskussionen geführt, da man hier deutlich häufiger mit anders-Meinenden zusammen trifft als im Freundeskreis, wo man sich doch meist mit Gleichgesinnten zusammen tut...

Das gilt zwar auch für mich.

Aber ich fürchte, daß das für die meisten Leute im Web gerade nicht gilt.

Ein schönes Beispiel, auch neulich hier aufgetaucht: Kontaktanfragen in Xing. Da profitiere ich gerade von Kontakten zu 'ganz anderen Leuten', die weder Programmierer sind noch jemals als Kunde infrage kommen könnten. Nach dem, was hier sonst zu diesem Thema geschrieben wurde (und auch angesichts mancher Reaktionen im Xing), ist das für viele überhaupt nicht selbstverständlich: Bestätigt werden nur Leute, die man bereits persönlich kennt oder die man unmittelbar geschäftlich kontaktiert.
 
Dazu kann ich nur sagen - was bin ich froh das "die Internetbenutzer" keine homogene Masse sind.
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Der FAZ Artikel ist viel zu lang, als dass er von der offenbar immer schnelllebigeren Internetgesellschaft wahrgenommen werden könnte. TSc bringt es da viel schneller auf den Punkt: Wir sind keine homogene Masse und eine Prognose über das Internet zu machen ist vergleichbar mit einer Jahreswettervorhersage.
 
Ich sehe die Entwicklung als kritisch an. Der Wunsch der Internetnutzer nach immer schnellerer, schlichterer Information lässt immer weniger Raum für eine umfassende Informationsvermittlung.

Wie Goggi schon schreibt: „Der FAZ Artikel ist viel zu lang“
Wenn ein solcher Artikel die Aufnahmefähigkeit / Bereitschaft der User bereits überfordert: Wollen wir in Zukunft nur noch Informationen im Stil von „Wir sind Papst?“

Für mich ist es erschreckend dass zum Beispiel Landingpages aufgrund ihres reduzierten Informationsangebotes zum Teil 3- 4- oder sogar 5 mal so hohe Conversionsraten erzielen wie eine wirklich informative Startseite. Der unbewusste Wunsch vieler Internetuser nach „Scheuklappen“ ist wohl sehr groß. Und diesem Wunsch wird halt von vielen Webmastern entsprochen. Letztendlich verkommt der User dabei aber zum einem in eine Koppel getriebenen Herdentier.

Und wenn TSc schreibt: Was bin ich froh das "die Internetbenutzer" keine homogene Masse sind.
Dann kann man sich trotzdem fragen ob sich die Nutzer zwar nicht homogen, aber wie bei einem riesigen Strom in die gleiche Richtung bewegen.
 
QUOTE (Sebastian E @ Di 2.03.2010, 15:51)Wie Goggi schon schreibt: „Der FAZ Artikel ist viel zu lang“
Wenn ein solcher Artikel die Aufnahmefähigkeit / Bereitschaft der User bereits überfordert: Wollen wir in Zukunft nur noch Informationen im Stil von „Wir sind Papst?“

Klar ist der Artikel lang.

Das ist so, wie es Spiegel und dann plötzlich Focus mit kurzen Artikeln gab - Fakten, Fakten, Fakten.
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Bis heute finden auch lange Artikel ihr Publikum, genauso, wie bis heute Bücher (noch länger) gekauft und gelesen werden. Und wie oft hat man eigentlich schon dem Kino den Tod prognostiziert? Die Berlinale hatte dieses Jahr einen neuen Besucherrekord
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QUOTE (Schläfer @ Di 2.03.2010, 22:29)Was aber neu ist, das jeder Depp noch nen anderen Deppen findet der im Recht gibt!


Das ist ja genau die Aussage des obigen Schlußabschnitts
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QUOTE (Schläfer @ Di 2.03.2010, 22:29)Es ist auch mein Eindruck, das sich im Internet sehr viele Sozialamputierte herumtreiben die eh kein Masstab sind.


Ich persönlich finde es immer wieder witzig, wenn Leute sagen, 'das sei die virtuelle Welt', gegenüber dem es noch eine 'reale Welt' gäbe. Dabei verstehe ich immer nicht, wie man 'virtuell kommunizieren' kann.

Als jemand, der nun schon seit Jahren ausschließlich von Internet-Dienstleistungen lebt, ist das einfach ein Kommunikationsmedium und -Werkzeug - das sich bsp. wunderbar mit dem Kommunikationsmedium Telefon ergänzt.
 
Ich würde mal mit Herrn Bolz sagen, dass wir in einer Zeit leben mit vielen Optionen aber schwachen Bindungen (früher: wenig Optionen und starke Bindung). In Bezug auf das Internet heißt das für mich, dass die unheimlich vielen Möglichkeiten, die Menschen dazu bringen, keine Entscheidung mehr treffen zu können oder anders: früher trank man Kaffee und heute kann ich zwischen 30 unterschiedlichen Arten oder Sorten auswählen. Und das betrifft inzwischen all unsere Lebensbereiche...
 
Klar, dass die FAZ eine solche Position vertritt. Da macht man sich Sorgen um die traditonellen Pfründe der großen Tageszeitungen und zieht deswegen jetzt die Geschichte aus dem Hut, im Internet sehe man ja nur das, was man sehen wolle. Und das verstärke wiederum den Bias...

Ich sage: Ist doch gut, dass wir nur sehen, was uns interessiert. Klar gehört ein bisschen Medienkompetenz dazu, aber wenigstens muss ich mir von keiner Zeitung mehr vorschreiben lassen, was ich interessant zu finden habe und kann mir meine Informationsquellen selber aussuchen. Die müssen auch nicht einseitig sein, ich habe einfach einen schnelleren und qualitativ besseren Überblick im Netz und bin nicht der (politischen) Agenda einer Zeitung ausgeliefert.

 
Hm, naja. Dazu sollte man aber anmerken, dass auch die Recherchekapazitäten der klassischen Medien sich in engen Grenzen bewegen. Häufig werden Agentur- oder (noch schlimmer) Pressemmeldungen einfach übernommen. Ich glaube, das Problem liegt tatsächlich weniger in den Informationsquellen (bzw. ist dies ein Problem, das klassische und Online-Medien gleichermaßen betrifft), sondern tatsächlich in der öffentlichen Meinung.

Und da habe ich lieber ein differenziertes Bild anstatt der Linie einer Zeitung zu folgen. RSS, Twitter und Co. erlauben ja eine Zusammenstellung von Meinungen (dann eben nicht Informationen) aus verschiedenen Quellen.

Mal abgesehen davon finde ich die Printmedien ja nicht obsolet, der trend geht doch ohnehin zur Komplementärnutzung.
 
QUOTE (Schläfer @ Do 4.03.2010, 12:23) äh, um über die zukunft des internets diskutieren zu können, wäre es auch ganz sinnvoll die gegenwart zu kennen: http://www.cineastentreff.de/content/view/8419/169/
nicht ganz uninteressant wie ich finde. okay kommt aus unserer eigenen redaktion und da mag der blick getrübt sein. aber kann sich ja jeder selber ein bild machen!

Oh je. Und wieder müssen die Jugendlichen herhalten, in einen gemeinsamen Tof geworfen, als pauschales Spiegelbild der künftigen Menschheit. Zählt man solche Dokusoaps der letzten Monate zusammen und zieht daraus Schlüsse, wie es um die Jugendlichen steht (und was deshalb von der zukünftigen Erwachsenenwelt zu erwarten ist) wird die Menschheit in zerworfenen Beziehungen leben, in denen nur Energy-Drinks und schwarze Rap-Protest-Musik zählt, kalter Sex wird wichtiger sein als eine enge Bindung und die soziale Verarmung, Verblödung und Vereinsamung durch Internet und Gewinnspielen um Autos mit A wird zunehmen...

Gearde der Cineasten-Artikel und die darin erwähnte "Studie" beweisen einmal mehr, dass man Studien und Tatsachen medial so zurechtbiegen kann, dass sie eine reisserischen Aussage erlauben. Zum Beispiel werden bei " 2/3 schauen Youtube aber nur 4% Bloggen" wesentliche Faktoren wie Bildung, Zeit usw. völlig ausgeblendet. Ich weiss ja nicht was eure 12jährigen so treiben. Unsere hier haben Pickel und kämpfen um gute Noten.
 
Schläfer, sind wir auf persönlichem Konfrontationskurs? Ich werf Dich dann mal in den Topf jener die keine Kritik ertragen ;-)

Eigentlich wird gar nichts klar herausgestellt in diesem Artikel. Es werden Prozentzahlen präsentiert die interpretiert werden, zum Beispiel im Titel "Web ja, Mitmach nein" - eine ziemliche Reduktion auf's Unwesentliche, wie ich meine. Ist "Mitmach" eine gewollte Anspielung auf Mitmach-Web? Egal. Meine Aussage war: Das reine statistische Verhalten wird bewertet (100% haben TV oder Handy, 72% loggen sich bei Facebook ein, usw.) doch weder die qualitative Komponente (wie oft und wie lange bleiben sie da, was tun sie da) noch die persönliche (warum sind sie im Facebook) wird mit einbezogen - resp. sie es wird darüber spekuliert: "Radionutzung 2008, lässt sich leicht erklären" oder "die Gefahr, den Kontakt zum realen Freundeskreis zu verlieren, scheint gering"... Es ist eine Evaluierung, die man genau so gut selber zusammenschätzen könnte und in die Zahlen lässt sich quasi alles hineininterpretieren. Es fehlt jegliche fundierte Aussage, daran ändert auch der Schlusssatz nichts, im Gegenteil: Er relativiert eigentlich den ganzen Artikel.

Ich gebe zu, ich habe keine Ahnung - Wie schon damals bei der Anti-Minarett-Initiative - aber eine Stimme hab' ich trotzdem und ich frage mich ob es an mir liegt die Dinge richtig zu interpretieren oder an den anderen, sich ordentlich auszudrücken :)
 
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